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Obwohl ich nur alle paar Wochen eine Kolumne zu schreiben habe fliegen mir die Themen nicht einfach zu. Manche behaupten ja stolz, sie müssten nicht suchen, sondern sie würden finden. Naja, es fällt einem – wenigstens mir – nicht alles in den Schoss, höchstens mal auf den Kopf, wenn es auch eher mal die Decke ist.

Sehr oft und so auch jetzt, diskutieren wir beim Kaffee über den Sinn unserer Arbeit oder eben auch, worüber es sich zu schreiben lohnt. Es ist ja wahrlich selten, dass mich ein Geistesblitz wie eine ‚höhere Gunstbezeugung’ durchfährt und ich weiss was zu tun ist. Wirklich gute Gedanken kommen äusserst selten, allerhöchstens nach einem ‚zuvielten‘ Bier, aber von oben komme sie schon mal gar nicht. Denken kommt von Machen. Das ist Arbeit. Meine Devise: Transpiration statt Inspiration.

Genialen Einzelleistungen misstraue ich ohnehin. Ich halte sie für einen erniedrigenden Mythos. Auch glaube ich nicht an den Genius von Kunstschaffenden, wie Stararchitekten. Und wenn dann doch mal ein unerwarteter Wurf gelingen sollte, dann macht die besondere Baute noch keinen besonders schönen Ort daraus. Es reicht höchstens, um für ein paar Jahre Direktflüge von Basel nach Bilbao zu etablieren. Eine schöne Stadt aber braucht mehr. Mehr Mittelmass als Genialität.

Wie erkläre ich das glaubhaft?  Wegen ‚the crazy‘ arbeiten und leben derzeit ca. 15 Studierende der Hochschule Luzern im Legler Areal in Diesbach. Dort richteten wir deren Atelier für das Herbstsemester ein. Wir entwarfen und bauten zusammen Möbel. Zum Abschluss, bevor mit den Entwürfen gestartet werden konnte, schlug ich vor, unter professioneller Anleitung, am Abend gemeinsam zu singen.

Toeoen unterstützte uns. Kerzen und Lichterketten sorgten für eine adäquate Atmosphäre. Fast alle, mich eingeschlossen, hatten Bedenken stimmlich nicht zu genügen. Ausser den Coaches, gab es tatsächlich keine herausragenden Stimmen. Dennoch, wir schafften zusammen recht schöne Klangbilder. Wir suchten und fanden uns nach anfänglichem Gewirr und unnötiger Scheu in den Harmonien wieder. Jeder suchte die passende Tonlage in seiner stimmlichen Eigenart. Anfänglich summte man leiser. Mancher schloss sein Ohr, um besser hören zu können. Lauter wurde man erst, wenn es stimmte.

Wir lernten also Offensichtliches. Zum Beispiel: Erst zuhören und dann singen. Man konnte auch erfahren, dass man auch mit einer Stimme ohne Solistenqualitäten in der Lage ist im Chor beizutragen. Auch spürten wir wie die gemeinsame Schwingung richtiggehend zu vibrieren begann und wie die Gruppe in den Klängen aufging.

Jetzt denken sie vermutlich: Nichts neues was der da erzählt. Und wiederhole dennoch pointiert: Einfach mal ruhig sein, wenn man nichts zu sagen hat, oder zumindest leise sprechen, wenn man unsicher ist, ob es stimmt was man zu sagen vor hat. Genauso richtig ist das für die Architektur. Ruhig sein, hinhören, leise beginnen. Vermutlich gäbe das harmonischere Ortsbilder. Dazu bräuchte es eigentlich nur ein bisschen architektonisches Gehör – im Übrigen nicht nur von Planern, sondern auch von Auftraggebern.

Anders herum erklärt: Suchen sie sich einen schönen Landstrich mit einem Dorfkern aus. Vielleicht einen Ferienort den sie gerne besuchen. Jetzt malen sie sich aus, wie er aussehen würde, wenn er heute gebaut würde, und jeder so singen, also bauen würde wie es im passt. Ohne hinzuhören. Vermutlich recht unharmonisch. Daher meine montägliche Empfehlung: Manchmal halt leise singen, dann fällt es nicht so auf, falls man falsch singt.

 

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Einer der Essays, die in der Südostschweiz erschienen. Jeder mit dem Anspruch grosse Themen der Architektur möglichst einfach und in wenigen Zeilen zugänglich zu machen.

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