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Ein erwachsener menschlicher Körper besteht aus etwa 85 Prozent Wasser. Das macht bei mir wohl knapp 8 Giesskannen voll. Zudem umfasst ein Organismus ca. 40 Billionen Bakterien und Pilze, in etwa ebenso viele Zellen wie er menschliche hat. Kurz: Wir sind, von den menschlichen Zellen abgesehen, vor allem laufende, von Bakterien und Pilzen durchzogene Wassersäulen, die sich mitunter gerne mit anderen Wassersäulen unterhalten.

Den Menschen als wandelndes Mikrobiom zu sehen, veranlasste den Historiker und Philosophen Philipp Blom zu einer Metapher. Er verglich das Schicksal der Menschheit mit einem besonderen Pilz, dem Hefepilz. Er ist unerlässlicher Bestandteil für viele Fermentationsprozesse. In zuckriger Lösung vollzieht die Hefekultur ein gigantisches, exponentielles Wachstum. Sie frisst sämtliche Energieträger und scheidet etliche, nicht nur von mir geschätzte Nahrungsmittel aus. In meinem Fall, Hefeweizen. Ja, in Bayern zählt Bier zu den Nahrungsmitteln. Die Hefe frisst und wächst, solange sie fressen kann. Am Schluss erstickt sie an ihren eigenen Ausscheidungen. Der Hefepilz verhungert. So erklärt uns Blom das Dilemma von unendlichem Wachstum in endlichen Systemen – und fragt lakonisch: Sind wir schlauer als Hefe?

Ein zugespitztes Bild. Natürlich. Aber, es zeigt in welcher Widersprüchlichkeit wir stecken: Wir hängen von einer robusten Wirtschaftsform ab und zerstören damit gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen. Wir unterbrechen derzeit zwar notgedrungen unsere Routinen, aber im Grunde wollen wir wieder zurück, zurück zu dem wie es vorher war. Nicht wahr?

Gegenüber Tieren – und Hefepilzen – hat der Mensch eine vorteilhafte Eigenschaft. Er kann vorausschauend handeln. Er kann mit anderen übereinkommen was wann einmal zu tun sein wird. Doch Kreislaufwirtschaften und Effizienzsteigerungen sind nicht vielversprechend genug und eine ökologisch verschwenderische Demokratie wollen wir nicht gleich in eine ökologisch korrekte Diktatur umwandeln. Was tun?

Blom stellt einen historischen Vergleich an. Er blickt zurück auf die kleine Eiszeit im agrarisch geprägten Europa des 17. Jahrhunderts. Das Klima sank damals um 2 Grad. Die damaligen Folgen waren unter anderem auf 3 Wochen verkürzte Vegetationsperioden. Es litten darunter Menschen nicht nur Hungersnöte, sondern auch über Jahrhunderte tradierte Wahrheiten. Sie wurden umgestossen. Die Welt war auf einmal nicht mehr nur für den Menschen da, um sie ihm Untertan zu machen und ein fromm geführtes Leben sorgte offenbar nicht mehr zwingend für ein ebenso sorgenfreies. Ob der grossen Ungewissheiten kamen nun etliche Alternativen auf den Plan. Ein regelrechter Wettkampf unter Alchimisten, Magiern, Rosenkreuzern, Mystikern, aber auch den methodischen Wissenschaften entstand. Klingt bekannt? Heute sprechen wir von 2 Grad, Erwärmung, mindestens.

Aktuell erfahren wir schmerzlich unsere Verletzlichkeit. Wir haben offensichtlich nur sehr beschränkte Kontrolle über die Natur. Mittels moderner, meist technischer Errungenschaften täuschen wir uns darüber hinweg. Wenn wir Menschen uns aber zukünftig weniger als unantastbare Krönung verstünden, so seine Behauptung, wenn wir die bisherige ‚Meistererzählung‘, wonach wir die Welt lenkten und beherrschten von der Domination zur Kooperation umdeuten würden, dann könnten wir eine mit dem Lauf der Natur harmonischere und verbundenere Haltung finden. Ob dafür dann, wie in Neuseeland kürzlich, einem Fluss die Menschenrechte zuerkannt werden müssen, das sei dahingestellt. Der Standpunkt von Blom aber, Mensch und Natur auf dieselbe Stufe zu stellen blieb mir als sympathische Denke in Erinnerung.  Am Schluss fragte der Interviewer, ob Blom wirklich glaube, unsere Gesellschaft könne sich zu einer solch gemeinsam getragenen Haltung hin entwickeln. Vielsagend antwortete er: Ändern wird sich erst etwas, wenn man darüber spricht. Nun, der Anfang ist gemacht.

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Einer der Essays, die in der Südostschweiz erschienen. Jeder mit dem Anspruch grosse Themen, nicht nur der Architektur, möglichst einfach und in wenigen Zeilen zugänglich zu machen.

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