« unscharf »
Architektur und Einpassung ars et natura. Kupferstiche und historische Aufnahmen aus dem Flugzeug zeigen schmale, teils hochrechteckig stehende Giebel und tiefliegende lange Bauten, die eine von Obstbäumen bestandene Landschaft durchsetzten. Die Dächer waren ruhig und gerichtet. Auch gab es gab kaum Gauben, keine Dachfenster oder Dacheinschnitte. Diese in den Bildern gezeigte Ruhe ist es was wir suchen. Architecture and integration ars et natura. Copper etchings and historical photographs taken from the air show narrow gables, some of them high rectangular, and low-lying long buildings interspersed with a landscape of orchard trees. The roofs were quiet and aligned. There were also hardly any dormers, skylights or roof openings. This calmness shown in the pictures is what we are looking for.
« Zum Dorfleben von früher können wir nicht mehr zurück, so sehr wir uns das vielleicht wünschen, zur Stadt kann Kaltbrunn( glücklicherweise ) nie werden und zur Agglomeration darf der Gaster nicht verkommen. »
Kipppunkt Kaltbrunn. Frei nach einer Aussage von Angelus Eisinger zur Grossteiler Ebene und Sarnen.We cannot go back to the village life of the past, as much as we might wish to, Kaltbrunn can (fortunately) never become a town and the Gaster must not decline into an urban sprawl.
«Die Menschen aus Kaltbrunn sagten uns, dass sie ihre Landschaft lieben.» (Frei nach Peter Märkli in Glarus Nord) Darum stellen wir das landläufige Verhältnis von Figur und Grund in Frage. Wir gehen weniger vom Haus, sondern eher von der Landschaft aus. Statt Baukörper mit zwischenliegenden Frei- oder Resträumen zu setzen, wollen wir mit Freiräumen beginnen und daraus ‚Restbauten‘ ableiten. ‚Dorf‘ meint für uns keine unwiederbringliche Gesellschaftsform, sondern eine immer noch gültige Verwebung von Bau und 'Natur'. Trotz veränderter Produktionsbedingungen und monofunktioneller Raumprogramme vertrauen wir weiterhin an das kraftvolle Ineinanderarbeiten von Bau und Landschaft. Das ist seit jeher Ausdruck von Differenz und Identität. Beides zusammen als Ganzes sehen, das ist die Grundlage unseres Beitrags.
"The people from Kaltbrunn told us that they love their landscape." ( Freely adapted from Peter Märkli in Glarus Nord) That is why we question the common relationship between figure and ground. We start less from the house and more from the landscape. Instead of placing buildings with open or leftover spaces in between, we want to start with open spaces and derive 'residual buildings' from them. For us, 'village' does not mean an irretrievable social form, but a still valid interweaving of building and nature. Despite changed production conditions and monofunctional spatial programmes, we continue to trust in the potent interworking of building and landscape. This has always been an expression of difference and identity. Seeing both together as a whole, that is the essence of our contribution.
Serie und Varianz Ausgangspunkt bilden die L und U-förmigen Nischen und Ausweitungen der Erschliessungen im Dorfkern wie sie die Skizze zum Strassenraum zeigt. Sanft schieben sich Giebel in die Sichtachsen und formen gestufte Raumfolgen. Die Raumkanten werden 'unscharf'. Unsere versetzten Giebel orientieren wir hangwärts, in Richtung Gaster. Hauptbau, Nebenhaus und Garten bilden unsere Palette. Das sanft fallende Terrain und der stumpf gereihte Siedlungskörper veranlassen uns kaum zu ortsbauliche Reaktionen. Wir befinden uns mit anderen auf dem Feld.
Series and Variation The starting point is the L- and U-shaped niches and extensions of the accesses in the village centre as shown in the sketch of the street space. Gables gently slide into the visual axes and form layered spatial sequences. Our stepped gables are oriented towards the downhill slope, in the direction of Gaster. The main building, annexe and garden form our palette. The gently sloping terrain and the bluntly arranged settlement hardly induce us to react in terms of site planning. We are in the field with others.
Daher beginnen wir mit seriellen Raumgeflechten. Daraus leiten wir nuancierte Varianzen ab. Das Lineare und Malerische als künstlerisches Prinzip, wie Riff und Hookline, verstehen wir nicht als ein Entweder-Oder, sondern als eine Frage der ausgewogenen Moderation. Die Körnung lose gesetzter Einfamilienhäuser des Dorfkerns interpretieren wir in von Lauben und Rankgerüsten gebundene Baugruppen. Die Wohnungen sind mehrheitlich in alle vier Richtungen geöffnet. Wir vermeiden Schottenwohnungen und städtische Grundrisse, sondern glauben mit einer ostinaten Reihung von Rundumsichten dem Wunsch nach den eigenen ‚vier Wänden‘ zu entsprechen. Erst der rigide Rhythmus des Verbands ermöglicht lesbare Varianzen in den Fassaden, in den Orientierungen der Grundrisse und in den Nutzungen der Freiräume.
Wohnen auf dem Land meint auch
'Rundumsicht', die eigenen vier Wände.
Therefore, we start with serial spatial braids. From this we derive nuanced variances. We do not understand the linear and the picturesque as an artistic principle, like riff and hookline, as an either-or, but as a question of balanced moderation. We interpret the structure of loosely set single-family houses in the village centre into building groups bound by arbours and trellises. The majority of the flats are open in all four directions. We believe that an ‚ostinato' arrangement of all-round views meets the desire for one's own 'four walls', so to speak. Only the rigid rhythm of the association allows for legible variations in the façades, in the orientations of the floor plans and in the uses of the open spaces.
Die Lektüre von Projekten der 60er, wie Roland Rainers Hofsiedlungen oder Jorn Utzons serielle Arbeiten in Fredenborg lehren uns, dass die Serie introvertiert und apathisch bleibt. Die Räume werden austauschbar und abweisend. Auf der entgegengesetzten Seite dieser Monotonie kippen stark intuitive Arbeiten wie von Dennis Anderson in Wales oder auch Seldwyla mit der Multiplikation, so wie sie hier notwendig wäre, stets ins Plastische. Besonderheiten sind nicht multiplizierbar. Geht weder das eine noch das andere, ist vermutlich die Mischung beider Welten ein Ansatz. Wir vertrauen in Lehrstücke wie jene von Hans Döllgast in Neuheim, die zwischen dem Linearen und Malerischen, zwischen Gewöhnlichkeit und Ausnahme gekonnt oszillieren, um das richtige, charakteristische Mass zu finden. Vor allem bedarf es einer grossen Sorgfalt und Handwerklichkeit in der Materialität, damit die Reihe ihr verführerisches Spiel entfalten kann.
The reading of projects from the 60s, such as Roland Rainer's Hofsiedlungen or Jorn Utzon's serial works in Fredenborg teach us that the series remains introverted and apathetic. The spaces become interchangeable and repellent. On the opposite side of this monotony, highly intuitive works such as those by Dennis Anderson in Wales or even Seldwyla always tip into the sculptural with multiplication, as it would be necessary here. Singularities cannot be multiplied. If neither one nor the other is possible, the mixture of both worlds is probably an approach. We trust in masterpieces such as those by Hans Döllgast in Neuheim, which skilfully oscillate between the linear and the painterly, between the ordinary and the exceptional, in order to find the right, characteristic measure. Above all, great care and craftsmanship in materiality are required for the series to unfold its enchanting play.
Ausdruck Wir bauen in Holz, genauer in modularer Holzelementbauweise wie sie die Firma Rüegg bestens kennt. Die Fassaden sind roh geschalt. Meist in dunklem Holz. Darin liegen kontrastierend die hellen Augen oder Fenster. Weiss gestrichene oder lärchene Bandfenster mit Setzhölzern durchmessen die Fassaden. Die Fensterunterteilungen nutzen wir bei Bedarf um Privatheit zu schaffen. Wir denken an die flächenversetzten Fenster von Gion Caminada. Im spitzen Winkel schränken sie den Blick ein. Aufgereiht erinnern sie an die für Toggenburger Bauernhäuser typischen Fensterwagen. Dahinter sind die Wohnräume hell. Unter der nächsthöheren Fensterbank sitzen Stoffmarkisen oder Holzrolladen. Sie überhöhen, wie früher Zugläden, die Öffnungen. Farben brauchen wir nur sparsam. Wirken sollen vor allem die Gärten und Höfe. Die Bauten erscheinen natürlich. Sie werden in der Sonne altern. Feine Strukturen überziehen manche Wände. Die meisten sind karg und einfach gehalten, nur Vereinzelte, ihrer Stellung entsprechende Bauten sind feiner texturiert und mit hochwertigerem Holz materialisiert. (Perspektive unten) Sorgfältig sind alle gedacht, aber erst auf den zweiten Blick lassen sich Unterschiede ausmachen. Die Wirkung ist vertraut, wohnlich und doch frisch.
Expression We are building in wood, or more precisely in modular timber element construction, as the Rüegg company is very familiar with. The façades are formed raw. Mostly in dark wood. The light-coloured eyes or windows contrast with this. White-painted or larch ribbon windows with timber posts cross the façades. We use the window partitions where necessary to create privacy. We think of Gion Caminada's offset windows. At an acute angle, they limit the view. Lined up, they are reminiscent of the typical window of the Toggenburg farmhouses. Behind them, the living rooms are well-lit. Fabric sunshades or wooden roller blinds sit under the next-higher window sill. Like shutters in the past, they raise the openings above. We only need colours very sparingly. The gardens and courtyards should have the greatest effect. The buildings appear natural. They will age in the sun. Fine structures cover some walls. Most of them are sparse and simple, only a few buildings, corresponding to their position, are more finely textured and made of higher quality wood. (Perspective above) All are carefully thought out, but it is only at second glance that differences can be discerned. The effect is familiar, homely and yet fresh.
Getreppte Zeile und Hauptstrasse Die rigiden Hoftypen reagieren an den Rändern. Sei es um eine Ankunft oder einen gemeinsamen Übergang mit den Nachbarbauten zu formulieren. Am heutigen Parkplatz sehen wir für die Zentrumsbauten ein kräftiges Gegenüber vor. Im viergeschossigen Riegel liegen Maisonettewohnungen mit Qualitäten eines Einfamilienhauses verschränkt übereinander. Die Zeile folgt dem Terrainverlauf. Die überhohen Wohnräume bringen Atem in die Wohnung. Das Licht dringt weit in die Tiefe des Grundrisses.
Stepped row and main street The rigid courtyard types react at the edges. Be it to formulate an arrival or a common transition with the neighbouring buildings. At the current car parking area, we envisage a strong counterpart for the centre buildings. In the four-storey block, maisonettes with the qualities of a single-family house lie interlocked on top of each other. The row follows the contour of the terrain. The overheight living spaces bring a sense of breath into the flat. The light reaches far into the depths of the floor plan.
An der Uznacherstrasse setzen wir massive, steinerne Quader im Schulterschluss mit den benachbarten Vorbildern aus dem 19 Jh. Am Dorfeingang wäre erdgeschossig eine Werkstatt oder ein Ausstellungsraum mit genügend Aussenraum und Stellplätzen sinnvoll – früher stand hier ein ähnliches Ensemble. In Dorfnähe sehen wir eine kleine Halle mit Café vor und gegenüber der Kirche glauben wir mit einem durchgehenden Ladengeschoss Strasse und heutigen Parkplatz verbinden zu können. Vielleicht wir der Hinterhof einmal trotz der Parkplätze zu einem zukünftigen ‚Dorfanger‘.
On Uznacherstrasse, we place massive, stone volumes in harmony with the neighbouring 19th century examples. At the entrance to the village, a ground-floor workshop or showroom with sufficient outdoor space and parking spaces would make sense - a similar ensemble used to stand here. Near the village we see a small hall with a café and opposite the church we think we could connect the street and the present car park with a continuous shop floor. Perhaps the backyard will one day become a future 'village green' despite the parking spaces.
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Wettbewerb auf Einladung, ohne Rang. Areal der Zimmerei Rüegg in Kaltbrunn mit etwa 100 Wohnungen. Projektleitung Benedikt Profanter, Landschaftsarchitektur tijssen preller, Ingenieur Andreas Stump, holzprojekt Ingenieure und Planer, Luzern, Künstlerische Begleitung: Flurin Bisig