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« So besehen gehören Krematorien zu den anspruchsvollsten architektonischen Massnahmen überhaupt; sie müssen den Weg vom Tod ins – symbolische – Weiterleben in dieser Welt an der kritischsten Stelle des Verlassens der irdischen Hülle so begleiten, dass alles erträglich ist und gleichwohl als das erscheint, was es ist, normal und unausweichlich. »
Werner Oechslin 'Wie die Alten den Tod gebildet'; aus: Ivo Zemp: Die Architektur der Feuerbestattung Seite 7

PLATZ TKS

Station 1 Bild oben Die Häusergruppe umfasst einen Hof. Rechts, eine Kolumbarienwand aus reliefierten Betonfertigteilen. Darüber liegt ein durchhängendes, textil wirkendes Blechdach auf breiten, massigen Stützen. Der im Friedhof bisweilen grosse Massstab wird enger. Ausladende Baumkronen überdachen den Ort. Verzinkte Stahlrohrstühle sind frei platzierbar. Man sitzt alleine oder in der Gruppe. Fest installierte Bänke bilden dazu vereinzelte Fixpunkte.

Die Wege werden um das Krematorium mit Polygonalplatten belegt. Sie werden vom Friedhof kommend immer schmaler. Der Pulk der Trauernden löst sich allmählich auf und vereinzelt. Man kann nur noch zu Zweit nebeneinander laufen. Die Gespräche werden gedämpfter, die Stimmung wird ruhiger, der Schritt langsamer. Zwischen den Plattenfugen liegen hin und wieder Natursteine, vielleicht auch alte Grabsteine. Das Haus betritt man einzeln.

EINGANG ORTHO TKS

 

Station 2 Bild oben Der Eingang, noch schmaler als der Weg davor, ist nicht viel grösser als eine gewöhnliche Haustür. Das Haus wirkt nicht gross, eher lang, vor allem aber einer Hütte verwandter als einer Kirche. Darüber schwingt die Dachlandschaft auf feiner, stählerner Lattung. Das Haus betritt man einzeln. Drinnen wird es ruhig und gedämpft. Raum und Licht führen nun.

 

HALLE TKS  

Station 3 Bild oben Vom Windfang blicken wir diagonal in die Eingangshalle. Rechterhand liegen die verdeckten Eingänge der hölzernen Aufbahrungsräume. Licht schimmert aus dem Gang. Ein durchhängendes, textil wirkendes Innendach, weiss, mit dicker Farbe gestrichen, reflektiert den Lichteinfall. Der Hall wirkt gedämpft, die Oberflächen beschränken sich auf Holz und Kunststein. Akzente setzen das Mobiliar und die Leuchten. Ein grosses Fenster mit geschwungenen Leibungen und aussenliegender, rahmenloser Scheibe wirkt wie eine Vitrine in den künstlichen, alpinen Garten. Er ist dicht und satt gestaltet. Moose, Flechten, Bergnelken zwischen dem Steingarten. Sie sind die Vorboten auf die kommende Station.

 

SEE 2 TKS 

Station 4 Bild oben Nach den Räumen der Aufbahrung und vor dem Ofenvorraum, der eigentlichen Kremation, kontrastiert ein heller, bruchhafter Übergang. Man blickt in die Bergwelt mit einem breiten Panorama, in Richtung Wimmis, den Hausberg Niesen. Er spiegelt sich im Teich, dessen Ufer Sträucher, Schilfe und niedrige Bäume säumen. An einem weit ausladenden Dach, hängt an feinen Stäben eine dünne Balkonplatte über dem Wasser. Die Schwere des Hauses wird hier gebrochen, der Blick wird in die Weite gelenkt, bevor man entlang der geschwungenen Holzverkleidung der Aufbahrungsräume in den Ofenvorraum tritt. 

 

KREMATORIUM 2 

Station 5 Bild oben Der Ofenvorraum. Die Blickrichtung gleicht der Vorherigen, in Richtung Niesen. Doch jetzt sieht man nur noch dessen Bergspitze und den HImmel darüber. Seitliches Licht kommt kontrastreich von oben und streift die rauhe Mauer zum Ofenraum. Der Raum ist noch nicht ganz fertig gedacht, doch die Aussage ist klar: Er bleibt still, präsent, ganz ohne Beiwerk.

 

Situation 

Situation Universelle Antwort auf den Tod kann nur die Natur geben. Sie wirft uns zurück, auf das Unvermeidliche, ja Normale – das Diesseits zu verlassen. Die südlich gelegenen Bergketten sind allgegenwärtig. Dessen Protagonisten Niesen und Stockhorn sind nicht nur im Thuner Gebiet klingende Namen. Diese Berglandschaft wirkt für den Entwurf wie eine Kompassnadel. um die Häusergruppe des Krematoriums auszurichten. Wir setzen das Eingangshaus in Nord-Süd Richtung, also Richtung Niesen. Das Krematorium und der Werkhof bleiben zum Friedhof orthogonal gerichtet.  Durch den Knick entsteht ein Hof, den die Werkhalle abschliesst. Sie schützt vor der Strasse und trennt elegant den sakralen vom profanen Teil des Werkhofs.

 

Richtungen

 

Bewegung und Blickrichtungen Im Inneren widerspiegeln sich die landschaftlichen und städtebaulichen Beziehungen in den verschiedenen Stationen. Die Bewegung wird diagonal und quer zur Schnittfigur des Hauses geführt. Unerwartete, überraschende Raumwirkungen und Sichtachsen auf die Landschaft entstehen – von idyllisch fokussierten in der Halle, über unerwartet grosszügig kontrastierenden, bis zu dramatisch reduzierten, im Ofenvorraum am Ende des Weges.

 

Schnitt

 

Konstruktion, Tragwerk, Stimmung  Kennt man die Holzkirchen beispielsweise im Maramures Gebiet, in den Karpaten Rumäniens, weiss man welche Kraft kleine Kirchen oder besser kleine Häuser entwicklen können – gerade weil die Machart und Dimension den traditionellen Strickhäusern so verwandt ist. Haus und Kirche sind sich hier sehr ähnlich. Sie sind kleinmasstäblich, handwerklich, wirken nicht einschüchternd, sondern eher umarmend, auch die weit ausgreifende Dächer wirken schützend und ‚behausen‘ diejenigen, die Abschied nehmen müssen.

Wir entwerfen in unserem Kulturkreis mit ähnlichen Absichten. Unsere Referenzen sind einfache, ruralen Bauten der Alpen. Massive, dicke Felssteinwände, heutzutage mit Blechdächern gedeckt. Für uns ein schöner Kontrast, den wir überhöhen, durch elegante Schwünge feierlicher gestalten. Uns gefällt der Kontrast zwischen dem schweren Haus und dem luftigen Dach. Diese Dualität zieht sich durch das ganze Haus.

 

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 Offener Projektwettbewerb für ein Krematorium auf dem Friedhof in Thun-Schoren mit Landschaftarchitektur von Seraina Kuhn, Tobler Landschaftsarchitekten

Selektion