« Räume Lehren Still »

*Dreifachkindergarten in Schwanden, Glarus Süd, Architektur als Pädagogin

Annäherung Der 542er nach Schwändi fährt hier hoch. Von der Hauptstrasse kommend, an der Sporthalle vorbei, passiert man die Schrebergärten oberhalb der hübschen Wohn- und Stallzeilen des Grunds. In der Kurve blickt man kurz ins Vorderdorf und fährt dann durch die stufenweise, angelegten Siedlungsreihen hoch zu den Villen im Thon.Historische Bilder zeigen: Die Gegend hier war lange unbewohnt. Saatengüetli. Teils wurden etliche Flächen noch von der Gärtnerei genutzt. Der Pulverturm stand  abseits der Häuser. Natürlich. Heute wirkt der Streifen zwischen Friedhof und Zügersten immer noch als Wiese mit hineingestreuten Bauten. Manche liegen entlang der Höhenlinie, andere, disparat, heterogen, nicht nachvollziehbar. Zieht man die ISOS Karte und die ‚Zeitreise‘ zu Rate, erkennt man, wie die Reihen im Abstand von etwa 10 Jahren seit den 70ern Schicht um Schicht erweitert wurden. Von unten nach oben werden die Häuser jünger. Das Dorf beansprucht sehr viel mehr Platz als früher, bei gleichbleibender Bewohnerzahl. Entlang den Quartierstrassen reihen sich Einfamilienhäuser mit Aussicht und Vorfahrten. Solche Speckschichten des Siedlungsbaus gibt es überall in der Schweiz, ja in Europa. Hier lassen sie einen Zwischenraum, einen langen grünen Streifen zwischen historischem Dorfkern und neueren Dorferweiterungen (s. Karte unten). Intuitiv möchte man unsere Schrebergartenwiese unbebaut lassen. Die Rütenen bzw. Saaten passen hierher. Könnte man nicht näher am Primarschulhaus bauen, enger beieinander stehen und das Areal logisch erweitern? Oberschule, Primarschule, Kindergarten. Wäre man nicht froh um Landreserven? 

Aussenbild

Umgebung Geht man die Thonerstrasse hoch, begleiten einen schöne, von Grenzmauern gesäumte Gärten mit grossem, altem Baumbestand. Remisen stehen an den Rändern, Gartenhäuser und Lauben an der Strasse. Villen leisten sich Umschwung. Damit bauen sie Distanz und Bedeutung auf, so wie die Chinderburg, die Villa Güetli. Ein stattliches, schönes Haus. Das Gefälle im Garten wird elegant mit Rutschen und Spielgeräten genutzt. Weiter oben ragt die Remise der Villa Kindlimann bzw. Blumerhaus in die Strasse, macht den Raum eng und bereitet auf eine Kurve vor.  Deren rohe, graugegerbte Fichtenschalung überziehen Linien einer zarten Lattung. Sie wirken wie ein Rankgerüst, aber auch wie eine verfeinerte Glarnerschalung, denn die Leisten sind mit Abstand aufgesetzt. Gegenüber baute man eine Stallscheune zum Wohnhaus um. Die Lattung, hier weniger fein, lässt den Bau trotz seiner Grösse und Allseitigkeit als Nebenbau erscheinen. Unten, ‚Im Grund‘ sind die Stallscheunen auch verlattet. Die Bauten wirken einfach und luftig. Müsste der Kindergarten müsste ebenso zurückhaltend, hölzern und leicht sein, eine Art Neben- oder Gartenhaus?

PostkarteGartenhaeuser

Glarner Architektur Vielleicht ist Glarner Architektur nicht wirklich festzumachen. In vielen Fällen spiegelt sich darin der Gegensatz aus Herrenhaus und Kleinbauernhaus. Andererseits sind die älteren, mittelalterlichen Glarner Häuser den Walserhäusern verwandt. Oft sieht man das kaum, weil die Strickbauten verputzt wurden. Alpines Bauen, vernakuläres Bauen gründet im Ort, dessen Klima, Material und Baukultur. Sie wirkt mit ihrer unmittelbaren Konstruktion, ihrer direkten Tektonik. Die Konstruktion ist bereits der Ausdruck. Rohbau schon Ausbau. Diesen Pragmatismus wollen wir erneuern. Ein Haus ganz aus Holz, aus den guten wie weniger guten Teilen, ohne Schichten, Leim und Folien konstruiert. Homogen. Das Material wird wirken, schliesslich soll es ein Glarner Kindergarten werden, unter grossen Dächern für Geborgenheit und Weite. 

GruenraumSituationSchwarzplan
Setzung Prämisse ist: Kein Lift. Keine Treppe. Alles ebenerdig. Einfache Abläufe. Die grössten Dachflächen sollen wie die Schulbauten und Zeilen in Ost-West Richtung laufen, wie das Grün. Zudem wird die Ausrichtung nach Süden hin gewählt, was für den Wärmegewinn und das Innenraumklima wesentlich prägender als im Unterland ist. Es sind logische, direkte Entscheide, die den Entwurf in seiner Einfachheit prägen.

Den Bau setzen wir nicht ganz nach oben, damit es neben dem Vorne auch ein Hinten gibt. Die Schattenseite wird im Sommer je länger je mehr seine Berechtigung finden. Eine in die Fassadenstruktur integrierte ‚Tapetentür‘ bildet den Ausgang. Den Leitungs- bzw. Therapiebau rücken wir so nah wie möglich an die Strasse, in der Hoffnung hier ebenfalls einen Unterabstand von 2.5 m zu bekommen.

So formen wir einen Versatz als überdachte Eingangszone und rücken für die Wirkung des Pulverturms zurück. Wir verschaffen ihm etwas Atem, danach wird die Strasse wieder enger. Brunnen, Turm und Kindergarten verbindet ein Pflaster. Autos fahren langsamer und der Eingangsbereich reicht über die Strasse hinweg auf die andere Seite. Am Eckfenster behält die Erzieherin den Überblick.

Werden die Kinder mit dem Auto gebracht gelangen sie vom Parkfeld über eine kleine Treppe neben dem Spielhaus in den Garten oder sie laufen den Weg bis ganz nach oben, wo eine kleine Rampe auf die Terrasse führt. Die Kinderlaube am unteren Rand spannt den Binnenraum auf. Sie ist Teil der Natursteinmauern, die den Garten säumen. Ursprünglich weiter südlich gesetzt, legen wir den kleinen Bau in die Flucht der bestehenden Schulbauten. So kann er allseitig einwachsen. Es wird einen tollen, versteckten Ort ergeben, inmitten von Bäumen, zum Spielen, Ausspähen, Klettern, Verteidigen etc. Gegenüber lagern die Spielgeräte im Untergeschoss. Ein grosses Tor führt in die Lagerräume. Sie bieten genug Platz, um auch Möbel der Kindergärten einzustellen. Die Möblierung wird sicher oder hoffentlich mit den Kindern immer wieder neu gestaltet.

Grundriss EG
Struktur Der pragmatische Grundriss, dessen einfache Struktur und klare Orientierung der Räume, ist nicht nur den Kosten geschuldet, sondern auch der Vorstellung, dass der Raum als dritte Erzieherin Klarheit und Ruhe, heute würde man sagen Reizreduktion, vermittelt. Ein Kindergarten ist auch Lernraum, eine Erweiterung des Erfahrungsraumes. Mit unseren Flächen arbeiten wir bewusst am unteren Rand der Wünsche, doch glauben wir mit zusätzlichen Angeboten unter dem Dach und dem fahrbaren Mobiliar unterschiedlichste Konfigurationen und Stimmungen zur Aneignung anzubieten. Es gibt Leise- und Lauträume, hohe und enge Räume, sehr helle und eher gedämpfte Räume, sonnige und schattige, intro- und extrovertierte, behängte und nackte Wände - alle aber sind natürliche, alterungsfähige, hoffentlich resonante Räume. Die Struktur halten wir einfach. Die Kraft wird im Material und dem Detail liegen.

 

‚Leise- und Lauträume, hohe und enge Räume, sehr helle und eher gedämpfte Räume, sonnige und schattige, intro- und extrovertierte, behängte und nackte Wände.‘ 

 

Bauweise, Nachhaltigkeit Mit der klaren Gliederung und Schnittfigur erinnern wir an die klassisch-modernen Vorbilder, wie sie in den Nachkriegsjahren in Braunwald von Hans Leuzinger, Egidius Streif oder Ernst Gisel gebaut wurden. Wir wollen aber elementarer bauen. Gezeichnet haben wir eine zweischalige Vollholz-Bauweise. Sie kommt ohne zusätzliche Dämmung aus, dennoch würden wir in der Kernschicht Restholz verwenden. Die vorgefertigten Elemente bestehen aus Fichtenholzbrettern, zusammengehalten von Holzdübeln aus Buche. Ein solcher Bau wäre innert 7-8 Monaten Bauzeit bezugsbereit. Wir möchten eine Art Strick, eine elementare, einfache Fügung vorschlagen, die an den Ecken sichtbar wird. Die Überstände decken Douglaisenbretter.

Wir meinen, eine langlebige Konstruktion anzubieten, die demontabel und wiederverwendbar ist. Die Holzbeschaffung wäre regional, genutzt „from nose to tail“ und garantierte einen hohen CO2-Speicherwert. Sämtliche Zimmerarbeiten könnten lokale Betriebe leisten. Genauso wichtig finden wir die Wirkung, ja die Resonanzfähigkeit der Wandkonstruktion. Der Raum sei die dritte Erzieherin oder Pädagogin, wird vielenorts behauptet. Das glauben wir gern. Raum wirkt auf uns, so wie wir in der Aneignung im Raum wirken. Es ist wie mit Nahrung, die uns gut oder weniger gut nährt. Das Holz atmet, beruhigt, riecht. Ein hölzerner Bau wie dieser schafft Präsenz, Klarheit und Ruhe. Der Kindergarten ist ein Erfahrungsangebot, das sich von den meisten Wohnumgebungen der Kinder unterscheiden wird und soll. Er bietet tiefe sinnliche Erfahrungen, die hoffentlich nachhallen. Wir trauen das der Architektur zu.

Arrangieren kann man die Räume mit fahrbaren Schränken und Schiebetüren. Stauraum gibt es zusätzlich im Küchenmöbel und dem grossen Lager. Die Dübel der Wände können mittels Metallklammern frei behängt werden. Die Schiebetüren sind bemalbar wie Wandtafeln. Dass die Wände altern und einmal eine Geschichte erzählen werden, empfinden wir als Qualität.

Besonderer Haustechnik bedarf es keiner. Die Nachtauskühlung erfolgt über die hohen, kirchenartigen Fenster im Nordenwesten. Die Wände sind schwer und fangen die Phasenverschiebungen auf. Zusätzlich werden die Bäume den Bau verschatten. Das weite Dach lässt nur im Winter die Sonne in die Tiefe. Eine Heizung wird wegen der solaren Wärmegewinne kaum gebraucht. Derzeit meinen wir, nur im vorderen Teil des Gruppenraumes, unter den Fenstern, eine Bodenheizung einbringen zu müssen.

Innenraum

Umgebung  Immer wieder überraschend ist, wie wenige Bäume im Siedlungsgebiet erhalten bleiben. Ausnahme sind die Parks der Villen und manche Einzelbäume. Wir schlagen vor, den Garten dicht zu bepflanzen in der Wirkung wie ein von Steinmauern gefasstes Bouquet.
Die Gehölze variieren in Grösse und Art und bieten Schatten und Geborgenheit. Eine grosse Spielfläche mit Kies, Sand und Spielgeräten webt sich in die innenliegende Wiesenfläche ein. Hier kann mit freien Materialien wie Holz, Stein, Seil gebaut und gewerkt werden. Von der Holzveranda aus überschaut man den ganzen Garten in seiner bunten Vielfalt. Die Mauerelemente geben nicht nur räumlichen Halt, sondern sind mit Spielen wie Murmelbahn oder als Sitzbank nutzbar. Ein individuell nutzbarer Freiraum auf der kühlen Nordseite ergänzt das freiräumliche Angebot.



--

Wettbewerb im selektiven Verfahren mit Präqualifikation, Dreifachkindergarten in Schwanden, Glarus Süd. Team: Lando Rossmaier mit atelier tp, tjissen preller Landschaftsrchitektur, Rapperswil

Selektion