Das ‚Halbherre Hüüs’, im Verkauf ‚Haus Fuchs’ genannt, war für uns eine Chance, die Arbeit von vor fast 10 Jahren zu überdenken. Die landläufg, überdimensional skalierten ‚Scheunen’ und ‚Ställe’, überhaupt die Problematik des Massstabes, die wir seit Jahren und aus vielerlei Orten des Tourismus kennen, war Anlass einen neuen Zugang zu wagen. Trotz der 'monokulturellen' Ausrichtung des Resorts, trotz kritischer, berechtigter Bemerkungen aus dem Kolleg:innenkreis am neuen Dorfteil Andermatts. Wir wollten wie schon beim Quartierplan am Dorf weiterbauen und nicht am Resort.
Obwohl wir mehr schlechte als gute Beispiele kennen, obwohl wir teilweise nicht einmal genau wissen wer uns als Bauherrschaft gegenüber sitzt, glaubten wir dennoch daran hier ein gutes, langlebiges Haus machen zu können. Ein Andermatter Haus.
Das damalige Volumen hielten wir bei, die Struktur des Massivbaus inklusive der alternierenden Höhensprünge nach Ost und West ebenso. Nun aber schlugen wir ein bei weitem stattlicheres, massigeres Haus vor. Wir gestalteten eine Mischung aus zurückhaltender, hospizhafter Grossbaute und einem repäsentativerem Patrizierhaus. Dieser Gedanke der Mischung aus Ursprünglichkeit und weltgewandter Kulturhaftigkeit, eben das 'Halber Herr Haus' zog sich durch sämtliche gestalterische Entscheide, vom Ausdruck und der Machart der Fassade bis hin zu Kleinbauteilen wie der fladrigen Lärche mit feingliedrigem Umleimer der Möbeleinbauten.
Die Ordnung der Fassade wurde nun weitaus serieller und weniger kompositorisch gestaltet. Die Fassade wirkt nun ruhiger, weniger sprunghaft. Gleiche Fenstertypen mit tiefen Brüstungen sind eng aneinander gereiht und enden geschossweise alternierend in jeweils zwei übergrossen Fenstern mit angehängtem oberen und seitlichem Fensterfeld. Die unterschiedlichen Fensterdimensionen wiederspiegeln die inneren Raumabmessungen und Nutzungen. Die Asymmetrie der Fensteröffnung ist dabei weniger gestalterischen Wünschen geschuldet, als konstruktiven Anforderungen.
Die Läden sind Reflektoren für das wenige Sonnenlicht im Winter. Sie sind daher seitlich an einer Kunststeinfasche angeschlagen. Die Lasten können durch das gut dämmende und damit poröse Mauerwerk nur schlecht aufgenommen werden. Grundlage der Materialisierungsidee war es stets nur Dinge zu verwenden die plausibel sind bzw. Materialien, die die Schweizer Architektur im alpinen Raum seit Jahrzehnten kultivierte. Mauerwerk und Beton in differenzierten Oberflächenqualitäten. Verputzt oder geschlämmt, sandgestrahlt oder in Sichtqualität treten die Nuancen in Erscheinung. Es sollte vermieden werden Natursteine aus fragwürdigen Quellen oder Beläge mit beliebiger Optik zu verwenden.
Wir verwenden althergebrachte Techniken wie den Kalkputz, die Kalkschlämme und mineralische Farben, teils als grafische Akzente. Die Materialien wirken direkt, ursprünglich und natürlich. Neben sommerlichem und winterlichem Wärmeschutz wird der Feuchtehaushalt durch das Mauerwerk angenehm reguliert. Das Haus wirkt warm. Die Oberflächen offenbaren ihre haptischen und atmosphärischen Nuancen erst auf den zweiten Blick. Diese Arbeit mit der feinen Klinge erachten wir als Qualität unseres Vorschlages, aber auch generell aus Qualität schweizerischer Architekturproduktion. Sie erinnert uns an textile Damastarbeiten.
Das Handwerk, der Handstrich, soll spürbar sein, Ortbeton ist der Präfabrikation vorzuziehen. Homogene Oberflächen werden hier nicht beabsichtigt. Der Duktus der Kelle im Deckputz soll leicht spürbar sein, ohne dabei rustikal zu wirken Die Farben werden besser gestrichen als gerollt. Die Metallbauteile werden eher verzinkt und gestrichen als einbrennlackiert. Dies nicht, weil wir glatte Oberflächen generell weniger schön fänden, sondern weil wir hier oben, an die Kraft der Solidität, der Alterungsfähigkeit und Patina glauben, die sich durch den hohen Gebrauch mi der Zeit einstellen wird. Wir wollen ein Haus bauen, das lange schön bleibt, durch Nutzungsspuren gewinnt, statt leidet. Sekundäre Materialien des Ausbaus, wie die Wandbeläge in den Bädern, bei uns Zellige, die Küche in der Stube, ein hölzernes Buffet mit fladdriger Lärche, die Lampe in der Ecke von Isamo Noguchi, der leuchtende Globus als Leuchte, der farbenfrohe Teppich aus Marroko sind wie Fundstücke, die das massive Haus anreichern, vielleicht eine Geschichte erzählen können. Sie kontrastieren gut mit der Sprödheit und Direktheit der primären Konstruktion.
Wir stellten es uns schön vor, auf einem Fundstück, einem gepolsterten Holzsessel vor der sandgestrahlten und geschlämmten Betonwand ins Kaminfeuer zu schauen. Wir glaubten an die Kraft der Materialien und daran einen Spagat zu schaffen, der sowohl plausible Antwort auf das Bauen in unwirtlichem, alpinen Gelände gäbe, als auch darauf welche besondere Atmosphäre und Stimmung die Vorstellungen und Wünsche von Ferien in Andermatt entsprechen könnte. Das Haus ist nun fertig. Und trotz Generalunternhemung im Grossen und Ganzen von Aussen so wie wir es uns dachten. Dass Tourismus in dieser Art und diesen Ausmasses die Ursprünglichkeit der Kultur und Landschaft konterkaritert, ja sich selbst kanibalisiert, dass lässt sich schlussendlich nicht wegwischen. Insofern bleibt dieses Projekt auch für uns zwiespältig.
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Offener Wettbewerb 2008. 1. Platz., Projektleitung Fabian Bisig, Der Bau wurde von einer Generalunternehmung ausgeführt. Die umgesetzte Innenarchitektur stammt erkennbar nicht von uns.