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« Ich denk' ich dreh mein Haus auf Links. »

Künstler und Kabarettist Helge Schneider

Die Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung lobte einen hochbaulichen Realisierungswettbewerb für die bei Havixbeck (Nordrhein-Westfalen) gelegene Burg Hülshoff aus. Ziel war es, den Geburts- und Lebensort der berühmten Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848) zu einem kulturellen und literarischen Zentrum internationaler Strahlkraft auszubauen. Unter 129 Bewerbenden gelangten wir im Auswahlverfahren unter die 20 Teilnehmenden und erreichten schlussendlich im Wettbewerb eine Anerkennung mit dem 3ten Platz (ex aequo).

Huelshoff PavillonHuelshoff Gesamt Vogelperspektive 

Intention, Zukunftsort Literatur Die teils museal wirkende Burg Hülshoff wollen wir zusammen mit der neuen Leitung als interidsziplinären Museums-, Lern-, Residenz- und Veranstaltungsort etablieren. Sie soll als kreativer Ort der Begegnung ausgerichten werden, indem wir sie mit wenigen präszisen und gleichermassen starken Eingriffen aufbrechen und umdeuten. Das ist unser Anliegen, womöglich wäre es auch Drostes Anliegen. Wir kehren die Burg nach Außen, wir «drehen sie auf links».

 Huelshoff Ludorff 1892Huelshoff Am WasserAm Wasser

Orte, Höfe Wir finden drei rechteckige Felder vor, die wir mittels kleiner, vorfabrizierter Bauten neu prägen und zusammebinden wollen. Drei Pavillons schließen drei Hofsituationen ab:

Den Ökonomiehof (Neue Ökonomie), den Burghof (Vorburg) und den Residenzhof (Villa Schonebeck). Sie schaffen durch ihre Wiedererkennbarkeit gemeinsame Identität für alle Höfe. Diese Ergänzungsbauten sehen wir immer für Orte der Gemeinschaft vor. Sie sind maximal geöffnet. Großzügig greifen sie mit überdachten Freisitzen aus. Markthallen ähnlich, sind sie weniger Häuser, sie sind vor allem Dach über einem Platz. Sie dienen dem Gespräch, dem Austausch: als Wohnküche der Villa, als Saal der Vorburg oder als Foyer des Eingangs.

 

Mit der Reparatur der historischen Alleen stehen die Höfe in einer Verbindung, sie lassen sie wieder miteinander Kommunizieren. Als Spazierwege und intuitive Orientierungslinien sorgen die Baumreihen für räumliche Klarheit an deren Knotenpunkt der Eichen- und Lindenallee der neue Eingang situiert ist. Wir besetzten den Ort mit dem Pavillon des Ökonomiehofs, der mit seiner unaufgeregten Präsenz zwischen Parkierung, Burg und Villa vermittelt.

Huelshoff Ausschnitt Situation

Architektur, Elefanten und Ameisen Die Neubauten sind eigentlich Ersatzneubauten. Sie besetzen in etwa den gleichen Fußabdruck wie ihre historischen Vorgänger. Firstrichtung und Volumetrie sind ebenfalls von den Bestandsbauten abgeleitet. Wir bauen die Geschichte aber nicht nach, vielmehr setzen wir den massigen Gehäusen der neuen und alten Ökonomie sowie der Villa leichte, aufgeklappte Holztempel hinzu: sozusagen extrovertierte Ameisen neben den introvertierten Elefanten, kleinteilige Holzbauten zur muralen Grossform, frei nach Rolf Fehlbaum.

Huelshoff Schnitt

Zwar ordnen wir uns in Setzung und Proportion ein, aber durch den temporär und fröhlich wirkenden Charakter der Neubauten distanzieren wir uns stark vom Bestand. Ja, die Wirkung beider Bautypen wird durch das kontrastierende Nebeneinander sogar gesteigert. Temporäres und Dauerhaftes konkurrieren nicht miteinander, da die Neubauten eher wie Festarchitekturen wirken. Wir bauen nicht mehr wie die Vorgänger mit schwerem Stein und kleinen Löchern von unten nach oben, sondern von Innen nach Außen. Unsere Bauten sind wie Zelte. Sie haben weniger Dächer denn Schwingen, sie sind weniger Häuser als Boote. Sie haben Mast, Stag und Wanten. Wir denken an Weltausstellungen wie Stockholm 1930 von Asplund. Wir denken an Zuversicht und Aufbruch.

Huelshoff Auf Zu Huelshoff Tragwerk

Wichtig erscheint uns die Bauten unprogrammiert zu denken. Sie sind keine gängigen Funktionsräume, sondern Markthalle, Agora und Inkubator. Sie sind ohne Einbauten nur mittels Mobiliar flexibel nutzbar. Je nach Programmbedarf entstehen Orte mit unterschiedlichem Charakter und Stimmung. 

  • Pavillon ‘Ankunft‘ mit Foyer, Ticketeria, Kinderecke und Museumsshop.
  • Pavillon ‘Saal Gastronomie‘ für Versammlungen und Veranstaltungen
  • Pavillon ‘Residenz‘ Wohnhalle der Villa Schonebeck

Umgang mit dem Bestand - Flicken statt Sanieren Die Spuren der Zeit sollen an allen Bauten sichtbar bleiben. Wir wollen lieber flicken als sanieren, wir nehmen Komforteinbußen eher in Kauf als konstruktive und technische Maximalstandards einzufordern. Das limitierte Budget für die Konstruktion ist ein Grund für die pragmatische Sichtweise. Vor allem aber sehen wir die direkte Art des Umbaus mit geschlämmten Oberflächen und rohen Ausbauten als Aufforderung zur Aneignung. Wir denken durch die weniger perfekten, ja lebhaften Oberflächen werden die Räume eher als Werkstatt denn als Büroarbeitsplatz, mehr als Bootshaus am Wasser denn als Restaurant gelesen. Die Deutungen bleiben so offener.

Huelshoff Saal gross

 

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Auszeichnung: 3. Platz ex aequo, Anerkennungspreis, Wettbewerb: ARGE mit Stratmann Architektur, Münster, Mitarbeitende Lando Rossmaier: Fabian Bisig, Athira Mlavil; Landschaft: Atelier LOIDL, Berlin Martin Schmitz, Tragwerk: tragstatur bauingenieure GmbH Uwe Teutsch; Energie & Technik: Lemon Consult AG, Bilder: Besa Zajmi, Zürich, www.besabild.com 

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