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Ein kontemplativer Raum ohne Abgrenzung, der Natur und Architektur verbindet. Meist ein Dach auf Säulen, der Boden geht durch. Ohne feste Wände, dient er zum Ausruhen, Betrachten der Natur oder als Treffpunkt.
VERTIKALE Wir befinden uns ausserhalb von Davos. Oberhalb liegt das goldene Ei. Im Winter, als wir in der Vorfahrt standen, schien es leer – Zwischensaison. Der Adventure Park wurde auch gerade vorbereitet. Die Menschen kommen später.
Fährich, kommt von Pfärrich, hochdeutsch Pferch, eine eingefriedete Weide. Die Enge zwischen den Felsen eignete sich gut, um das Gebiet einzufassen. Man kann sich vorstellen, wie die Tiere beim Wald gehalten wurden. Dieses Bild kann man gut auf den Adventure Park übertragen, wo sich heute Kinder und Jugendliche bewegen und ausprobieren. Trotz der massiven Bauproduktion, die an anderen Orten über die letzten Jahrzehnte weit in die Landschaft hinausgriff, gibt es hier im Fährich kaum Häuser. Ein paar Ferienhäuser vielleicht – aber im Wesentlichen ist es ein Übergangsraum: das Tal geht in die Bergwelt über, die Passstrasse führt hinüber ins nächste Tal.
Die Flüela wurde kanalisiert. Steinborde zur Uferbefestigung brachten Flächengewinne, aber man wünschte, der Bach wäre zumindest teilweise zugänglich geblieben, vielleicht als Teil des Parcours oder zum Beobachten von Teilen des Parks. Sein Name stammt vom schweizerdeutschen Flue, felsiges Gebiet oder Felswand. Genau diese Mischung macht den Ort aus: flaches, überschaubares Terrain am wilden Bach, der Wechsel vom Tal in die felsige Flue. Es ist ein guter Ausgangspunkt für Outdoor-Aktivitäten, für das Erlebnis der Vertikale. Einst als Campingplatz genutzt, wurde er Ort für Biker:innen, Trottinettefahrer:innen, Kinderspielplatz und den Seilpark. Vielleicht wird daraus noch mehr: ein Ort für eine Pizza am Feuer oder für kleine Festivals. Das neue Dach ist jedenfalls für vieles brauchbar. Man wird es im Tal sanft aus dem Wald leuchten sehen.


WIE BAUT MAN IN EINEM ADVENTURE PARK? Geht es um klassische Architektur? Also einen landläufigen Bau wie auf einem Campingplatz, eine mit dem Park verbundene Infrastrukturbaute? Schon, ja. Es geht aber auch darum, eine Baute vorzuschlagen, die den Gedanken des Wald-Spiel-Platzes mitträgt.
Zuallererst muss das Haus die Besucherbewegungen und Abläufe elegant organisieren. Zugleich soll es wie ein Spielgerät einladen – eines, das sich in die Aktivitäten nahtlos einreiht, ja sie verstärkt. Anfangs denkt man es nicht, aber sogar hier im Wald finden wir baulichen Kontext für unsere Architektur. Die Betreiber bauten auf eindrückliche Weise mit Stahlseilen, Brettern, Bohlen und Masten eine liebevoll gestaltete Welt aus Hängebrücken, Plattformen, Leitern, Unterständen, im Grunde Wege und Rastplätze – am Boden und in der Luft. Wir wollen das nutzen. Das Adventure-Angebot soll in unserem Vorschlag gipfeln, so als wäre der Park von hier aus in die Umgebung gewachsen.
Am bisherigen Vorgehen braucht es nur eine Korrektur: Es gilt, die Materialvielfalt zu bändigen. Das, was heute unterschiedlich materialisierte Veloständer, Unterstände, Werbeschilder, Anbauten sind, die die natürliche Qualität des Ortes im Wald beeinträchtigen, sollte reduziert werden – auf d a s Material: Holz.
Im „Waldspielplatz“ verbauen wir nur Bretter, Balken, Bäume bzw. Masten und Waldboden. Alles Bunte und Synthetische bringen die Menschen und nehmen es wieder mit – ihre Sportkleidung, ihre Gerätschaften. Wir gestalten den Grund, weshalb sie hier sind: das Waldhaus, eine Art ‚Ting‘. So denken wir, können wir die Magie und das Abenteuer des Ortes spürbar machen.
TYPOLOGIE Bach und Strasse limitieren den Raum. Dazu kommen die geforderten Abstände zur Flüela. Lange dachten wir, es bräuchte einen länglichen, schmalen Bau, der – ähnlich einem Zollübergang – die Verkehrsströme hinten und vorne organisiert. Eingang, Ausgang. Damit aber würde man die Nord-Süd-Verbindung unterbinden und die für den Aufenthalt vorgesehenen Vorbereiche zu Erschliessungsräumen degradieren. Daher suchten wir nach einem möglichst knapp dimensionierten Bau, der den Parkplatz vom Adventure Park nicht gänzlich trennt, aber den Übergang stark reguliert, das Tempo der Besucher:innen als Engstelle reduziert und gleichzeitig grosszügige Aussenräume anbietet, die mit der Umgebung interagieren.
Der Spass und Reiz des Adventure-Park-Angebotes ist erklärtermassen die dritte Dimension – die Erfahrung des Raumes in der Vertikalen. Nach der horizontalen Bewegung auf Strassen und Wegen folgt die Höhe: sei es im Pool, auf den Pumptracks oder im Seilpark. Die Spannung entsteht mit dem Auf und Ab – so einfach. Daher bauen wir ebenso in die Luft, nutzen diesen Moment schon beim Zugang, der über eine Seilbrücke in das Dach des Hauses führt.
Das Abenteuer soll schon vor der Ausleihe beginnen. Um Kletterzeug oder ein Velo zu mieten, geht man über die Seilbrücke hoch und tritt durch eine pneumatisch verschliessbare Klappe in den Dachraum. Von hier eröffnet sich ein Überblick über die folgenden Stationen. Die Betreibenden nutzen den gut gelegenen, wind- und wettergeschützten Ort als Schaltzentrale für das ganze Areal. Gegenüber wartet der erste rohe Mast im Gegenlicht der Türöffnung. Er sortiert nicht nur Links- und Rechtsverkehr der abgehenden und ankommenden Velos – das sind nicht sehr viele –, sondern zeigt auch, wo es weitergehen wird. Ab jetzt übernimmt die Gestalterin des Seilparks alles Weitere.
Möglich wäre, von hier direkt auf das Dach und hinüber in den Seilpark zu gelangen. Instruktionen könnten oben stattfinden – aber ebenso gut auf dem Boden. Zwischen Treppe und Rampe gäbe es Raum zur Besammlung für Gruppen und erste Einweisungen – oder einfach nur für ein Trampolin. Die Besucher:innen würden selbstständig über das neue Brücklein auf die andere Seite des Parks gehen. Zurück kämen sie über den Firstmast und vielleicht sogar den Dachraum direkt zur Ausleihe. Die Möglichkeiten sind zahlreich – denn unser Haus ist mehr als eine Baute: Es ist eine für wechselnde Aktivitäten robuste Struktur, eine Art Gerätschaft und Teil des Parkequipments.
DICHTE, STIMMUNG Um wenig Boden zu konsumieren und für den Spielplatz bzw. die Gastronomie nutzbar zu halten, lohnt sich das sparsame, gestapelte Bauen umso mehr. Wir arbeiten mit komprimierten, möbel- oder kastenartigen Volumen, in denen auf allerknappstem Raum die notwendigen Infrastrukturen untergebracht sind. Es gibt drei Arten: ein schwebendes Schrankmöbel als Depot zur Aufbewahrung von Sitzauflagen, Holzbeigen, Lichterketten, Deko-Elementen etc. – Dinge, die es für die Waldbeiz braucht. Ein tiefes, breit wirkendes Ökonomie-Volumen mit den Lagerräumen der Küche und dem Technikraum (aktuell als unbeheizt vorgeschlagen) und ein hohes, schlank wirkendes Volumen zur Parkbetreibung mit Aufenthalts- und Garderobenraum sowie WCs. Oben liegen darin die Ausleihe und das Büro. Ganz zuoberst verbirgt sich ein eindrücklicher Restraum – sozusagen als „Geschenk“ für ein Schlaflager o. Ä. Die klimatische Zonierung ist als Vorschlag gedacht: für eine effiziente Erstellung und Unterhalt. Im weiteren Prozess wird sie mit der Bauherrschaft präzisiert werden.
Über den Volumen legen wir grosse Dachflächen auf archaische Masten. Dafür mussten wir keine neuen architektonischen Motive einführen, denn wir fanden alles notwendige im Seilpark: Im Fundament eingespannte Rundhölzer tragen die Last. In der Wahrnehmung der Besucher:innen wirken sie frei arrangiert – wie die Bäume ringsum. Die Dachflächen sind bewusst aufgelöst: Sie fangen das Licht der Abendsonne ein und lassen das Haus abends leuchten. Der Waldboden läuft unter dem Dach unverändert durch. Die Bodenflächen sollen natürlich, pragmatisch bleiben. Wir stellen uns vor, dass bei regem Betrieb Kinder an den Tisch der Eltern laufen, eine Pause machen. Falls Trinkgläser umgestossen werden, stört es niemanden. Wir befinden uns, trotz des schützenden Daches, im Grunde draussen, auf Waldboden.
Tíng
Ein kontemplativer Raum ohne Abgrenzung, der Natur und Architektur verbindet.
Meist ein Dach auf Säulen, der Boden geht durch.
Ohne feste Wände, dient er zum Ausruhen, Betrachten der Natur oder als Treffpunkt.
Seit Jahrhunderten wichtiger Bestandteil, chinesischer Gartenarchitektur.

LANDSCHAFTSARCHITEKTUR Das Gefühl im Wald zu sein, stellt sich bereits nach der Toreinfahrt ein. Die geparkten Fahrzeuge stehen unter Baumkronen, visuell zurückhaltend, selbstverständlich. Durch die Einbahnerschliessung entsteht Klarheit und Sicherheit. Im Hintergrund erwartet einen das querliegende Dach.
Die Wege leiten die Besucher:innen ohne Signaletik intuitiv. Die Hierarchie ist einfach verständlich, die Verbindungen sind direkt geführt. Velofahrer:innen rollen am Gebäude und Restaurant vorbei zum Pumptrack. Diejenigen, die zur Ausleihe müssen, nehmen die Rampe in den Dachraum. Andere gehen direkt zum Kiosk. So ordnen sich die Bewegungsströme, Nutzungskonflikte werden vermieden.
Die Materialwahl knüpft unmittelbar an den Charakter des Waldes an: natürliche Beläge aus Schotter oder Holzschnitzeln, das Zulassen spontaner Vegetation, weiche Übergänge, eine Ausstattung und Spielelemente mit dem Charakter von Do-it-yourself, die sich zurücknehmen und den Wald spiegeln. Der Aussenraum ist keine gestaltete Platzfläche, sondern eine Erweiterung des Waldes – funktional, ästhetisch und voller Atmosphäre. Dazu eine Pflanzung, die standortgerecht ist, einheimisch und die vorhandenen Waldgesellschaften weiterschreibt.
Das Konzept bildet ein stabiles Grundgerüst, das offen bleibt: Es lässt Erweiterungen zu – mehr Spielplatzangebote, grössere Restaurantflächen, Platz für Bühne und Feuerstelle. wie auf einem Festivalgelände. Die Gestaltung reagiert nicht nur auf die Anforderungen von heute, sondern hält Spielräume und Potentiale frei – für eine lebendige Weiterentwicklung.
ORGANISATORISCHES
Schutz: Die Halle ist offen, insbesondere an der Giebelseite, von wo sich ein eindrücklicher Blick in die Wipfel des Seilparks bietet. Im Sommer schützt das Dach vor Niederschlag, während in den kühleren Übergangszeiten der Mehrzweckraum eine schützende thermische Hülle bietet. Denkbar wäre zudem, traufseitig Schiebewände vorzusehen, die ein „Schliessen“ der Halle ermöglichen.
Wärme: Das zweigeschossige ‚Parkbetreibungsvolumen‘ ist als einfache Holzrahmenbaukonstruktion gut gedämmt, der Mehrzweckraum beheizt. Der Ort ist damit auch im Winter nutzbar. Beheizt wird mit einer Luft-Wärmepumpe in Kombination mit dem Pizzaofen, den man mit Absorbertechnik ausstatten könnte. Im Garderobenraum oder in der Ausleihe könnte ein weiterer Ofen ans Rauchrohr angeschlossen werden – vielleicht gäbe es eine Klappe nach oben, um Wärme in die Ausleihe zu leiten. Man hätte auch die Möglichkeit, von unten nach oben zu sprechen. In der Halle kann ein grosses offenes Feuer betrieben werden. Es braucht keine üblichen Gläser zur Abschirmung des Feuers. Würste am Stock oder Schlangenbrot können von den Gästen gebraten werden.
Toiletten: Die WC-Anlage wird als kompakte Einheit mit Herren-, Damen- und IV-WC zusammengefasst. Raumhohe Kabinen mit separaten Steh- und Sitztoiletten sorgen für Privatsphäre und ermöglichen eine familienfreundliche Nutzung. Das IV-WC mit Wickeltisch kann von allen Geschlechtern benutzt werden.
Mehrzweckraum: Durch zwei Doppelschiebetüren und eine mobile Garderobe auf Rollen lässt sich der Raum flexibel unterteilen. Er bietet Platz für 12 Mitarbeiter:innen sowie eine Garderobenmöglichkeit. In kälteren Übergangszeiten kann ein Bereich für rund 28 Kund:innen abgetrennt werden. Im Winter nutzen den beheizten Raum Langläufer:innen und der Ticketschalter. Durch das Eckfenster des Ticketschalters hat man jederzeit eine gute Sicht auf die Loipe.
Garderoben: Im Garderobenmöbel werden 20 Schliessfächer untergebracht. Zwei Umkleidekabinen mit Duschmöglichkeit ermöglichen eine Benutzung ohne Geschlechtszuordnung. Je nach Nachfrage können die Kabinen in den Sommermonaten als zusätzliche Lagerfläche genutzt werden. Dank der Nähe können das Personal bzw. die Langläufer:innen in der Pausenzeit bequem auf ihren Spind zugreifen.
KOSTEN Die Komprimierung des Raumprogramms auf das Nötigste lässt nicht nur Freiraum für die Nutzungen darum herum, sondern auch für die Kosten. Gebaut wird ein Dach auf wenigen Masten, ein sparsam dimensioniertes, beheiztes Volumen mit einem Firstraum als Geschenk, ein unbeheizter Lagerraum und ein Lagermöbel. Die Erstellungskosten, ohne Werkleitungen und Fundationen sind damit recht genau bestimmbar. Die Abgrenzung zum Seilpark ist ebenso klar geregelt.
Da zudem kein Untergeschoss vorgesehen ist und die Umgebungsgestaltung kaum befestigter Flächen bedarf, glauben wir, uns mit dem Vorschlag sicher innerhalb des Kostenrahmens zu bewegen und eine Grundlage geschaffen zu haben, die mit der weiteren Präzisierung eine gut vorhersehbare und steuerbare Kostenprognose ermöglicht.
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Studienauftrag Adenture Park Davos, Wettbewerbsteam: Benedikt Profanter, Kevin Wüthrich, Vanessa Beer, Holzbau Ingenieur Makiol Wiederkehr, Holzmodellbau Sandro Steger

