« Kreuzgiebel »
Zur Info: Das Projekt Schützen befindet sich derzeit in Überarbeitung. Das Haus wird etwas niedriger und nicht mehr so markant sein. Wir informieren Sie hier sobald die Unterlagen bereit sind.
Annäherung Erster Eindruck Kaum von Unterägeri heraus gekommen, zeigt sich der Schützen schon bald im flachen Weidland. Viele kommen mit ihren Autos hierher. Recht prominent werden sie auf der Sonnen- und Schauseite des Gasthofes abgestellt. So verkommt der schattigere Flügel der Anlage zu einem gekiesten Parkplatz vor geschlossenen Garagentoren. Gegenüberliegend reicht es, trotz der langen Abendsonne, knapp für einen spärlichen, wenig einladenden Spielplatz. Der Bau liegt zum Strassenverlauf zwar parallel, aber in der Landschaft unverortet. Eine eindeutige Ausrichtung der Aussicht lässt sich nicht nachvollziehen. Vermutlich bräuchte es zukünftig eine Summe von Blickrichtungen statt nur einer Sicht. Vielleicht wäre eine Art Rundumpanorama für den Ort am plausibelsten. Ein Haus ganz ohne Rücken, allseitig offen, auch zum Tennisplatz, öffentlich und einladend.
Auf der anderen Seite im ‚Chnoden‘, spazieren wir in den Wiesen oberhalb der gewundenen Rämsel. Ein dichter Bewuchs aus Bäumen und Sträuchern säumt den Bachlauf. Die Tennisplätze lassen sich von hier aus nicht ausmachen, ebenso wenig der Gasthof. Etwas weiter nördlich werden die Wiesen und Weiden bereits feuchter. Es breitet sich vor einem die dunkelerdige Flora der Moorlandschaften aus, über deren vielversprechende Vernetzungsprojekte wir gelesen hatten. Es ist in der Tat eine besondere, besuchenswerte Landschaft. In der Nähe macht eine Familie Ferien vor einem Holzhaus im Camper. Man fühlt sich scheinbar wohl hier, ferienartig abseits vom alltäglichen Leben, obwohl das Dorf nicht weit ist.
Über die Brücke zurückkehrend, wird ersichtlich in welchem Ausmass der alte Gasthof von Freizeitanlagen umstellt, ja bedrängt wurde. Die Zäune der Tennisplätze sind mit grossflächigen Bandenwerbungen behängt, davor liegen achtlos gestaltete Parkflächen. Daneben findet sich die seltsam hübsche Rämselbahn, im Winter Langlaufloipen, eine sanierungswürdige Bocciabahn und weiter oben zwei Anlagen der Gewehr- und Armbrustschützen. Unser Vorschlag will sich in das Angebotsnetz sanft einweben, doch gleichzeitig die Freiräume kraftvoll ordnen. Das neue Gasthaus soll Zentrum der Anlage werden und ein bisschen so wirken als wäre es schon lange hier, länger als seine Nachbarn. Daher prägt nicht der Strassenverlauf, sondern die Topographie die Setzung und den Ausdruck der Baute. Der Gasthof soll nicht ein Weiterer unter vielen anderen sein, sondern charakterisitischer Eingang und Markierung eines wunderbaren, weit verzweigten Landschaftsraumes. Er soll Ausgangs- und Rückkehrort für Wandernde, Hündeler:innen, Biker:innen usw. sein. Ein markanter Ort und baukultureller Beitrag der Korporation.
Zweiter Eindruck Die Ausrichtung des heutigen Gasthofs bleibt Schluss und endlich rigid und unbestimmt. Zwar liegt die Terrasse erhaben, doch die gewonnene Aussicht verstellen bereits wieder unnötige Hecken, Schirme, Markisen und andere Gerätschaften. Als Besucher gelangt man nur über diese Terrasse ins Haus, stets den Blicken der sitzenden Gäste ausgeliefert. Noch dazu muss die Terrasse alles können, doch richtig gut kann sie nichts. Sie ist gleichermassen Eingang, Wetterschutz, Aussichts- und Sonnenterrasse, Stammtisch und Abstandshalter zum Strassenverkehr. Die Seiten wurden zu vernachlässigten Räumen. Alles richtet sich nun nach Süden, doch die lateralen Orte werden sträflich untergeordnet. Die Nordseite wird gar zum Hinterhof degradiert. Trotz der eigentlich grosszügigen Freiräume; es mag sich einfach kein Gefühl von Weite und Atem einstellen.
Architektur, Aussenraum Punktbau Der neue Gasthof beansprucht einen kleinstmöglichen Fussabdruck. Das Volumen ist äusserst kompakt. Die Landschaft versiegelt der markante Punktbau so nur minimal. Die Kulturlandschaft spielt nun die Hauptrolle. Vielleicht gelingt es damit auch die störenden Flutlichter und Sendemasten zu relativieren und in den Hintergrund zu drängen. Die prägenden Wesensmerkmale sollen wieder die Lage und Stimmung am Oberboden, das umliegende Weidland, der eingewachsene Bach, die nahen Moore und baumbestandenen Hänge trotz Loipen und Lifte bilden. Daraus wird sich durchaus ein tragfähiger Sehnsuchtsort entwickeln lassen, ein Ort ausserhalb, irgendwie eine Art von ‚Haseguetnacht‘.
Ein tragfähiger Sehnsuchtsort, ein Ort ausserhalb, irgendwie eine Art von ‚Haseguetnacht‘.
Setzung Mit der aktuell östlicheren Setzung des Bauvolumens bilden sich neue Baugruppen und räumliche Nähen. Der Kleinbau der Swisscom – vielleicht mit einer vorgestellten Laube einmal zu verbessern (wir wollten das in diesem Rahmen noch nicht vorschlagen) – bildet zusammen mit Clubhaus und Restaurant, trotz etlicher Verschiedenheiten ein mögliches Ensemble. Daraus entsteht im Osten ein Ankunftsort und auf den anderen Seiten diverse Freiräume der Gastronomie. Im Norden wird kein Hinterhof mehr sein, sondern eine Aussentreppe, die den wintergartenartigen Treppenvorraum mit der Loggia des Clubhauses verbindet. Im Nordwesten gestaltet sich der Geländesprung nun sanfter und ein neuer Weg weist in den Naturraum bzw. Abenteuerspielplatz der Rämsel. Grössere Kinder werden hier Stunden verbringen, die kleineren finden diverse Spielgelegenheiten in Elternnähe. Die an Grösse gewonnenen Sitz- und Spielflächen profitieren nun endlich bis in die Abendstunden vom Sonnenschein. Die Freiräume des Gasthauses als Ganzes sind eher als genutzte Naturräume zu lesen, denn als gestaltete Orte. In losen Kiesflächen liegen grossformatige Platten, vielleicht Betonplatten aus dem Rückbau, und einzelne kleinere Gehölze als Schattenspender. Zwischen den polygonalen Platten bilden Pflanzflächen immer wieder räumliche Strukturen. So entsteht eine lebendige und individuell nutzbare Gartenterrasse. Im Westen anschliessend befindet sich der Kleinkinderspielplatz, ausgestattet mit natürlichen Materialien wie Holz, Findlinge, Seile, Metall. Die Parkierung wird zurückhaltend, unter Gehölzen am Rande der Situation angeordnet.
Die Firste orientieren sich gleich wie die Walmdächer der Schützenhäuser. Unsere Baute liegt damit richtig im Geländeverlauf, rechtwinklig zu den Höhenlinien. Damit entstehen, aus der steifen Ost-West Richtung der Tennisplätze gelöst, nicht parallele, sondern offen wirkende Raumgefüge und L-förmige Nischen. Auf den Wanderwegen und Strassen empfangen von weither das grosse Dach und die horizontal geteilten Giebelfelder. Unter dem Dach des Gasthauses vermutet man Schutz. Das Haus scheint vertraut und doch wie eine riesige Laterne. Es entsteht ein einladender Ort.
Schnitt Aus dem Boden ragen massive, rauhe Mauerschalen und Blöcke. Wir stellen uns eine Art Ruine vor. Der Raum geht hindurch, wenn im Sommer die Fenster offen stehen. Die Vorstellung gefällt uns, irgendwie draussen und drinnen sitzen. Darüber liegt der Holzbau, mit dem laubenartigen, weithin strahlenden Saal. Der horizontal wirkende Saalraum unterscheidet sich in seiner Wirkung fundamental von den unten liegenden, gedrungen und intimen Raumnischen. Als Preziose lagert das erhabene Plateau über der Wiese. Wir denken an die Villa Rotonda von Palladio. Dort führen auch Treppen in ein erhöhtes nach allen Seiten geöffnetes Inneres. Ein zentraler Raum, wie ein Lunge, welche die Umgebung einzuatmen scheint. Mit anderen räumlichen Mitteln suchen wir eine ähnlich intensive Wirkung zu erreichen. Aus dem Garten gelangt man über Treppenläufe nach oben. Der weitgreifende ‚Oberbodensaal‘ liegt auf Höhe der Baumkronen. Die unmittelbare Umgebung wird dadurch ausgeblendet. Tennisplätze und Strassen scheinen zu verschwinden. Der Blick schweift ungehindert in die Weite.
Die erhabene Bühne stellen wir uns als grossartigen Ort für Hochzeitsfeiern und ähnliche Sommerfeste vor. Mit ausgezeichneter Akustik taugt er zudem als Votrags- und Filmsaal. Der Gasthof hat das Potential, nicht nur schöne Gaststuben und Gartensitzplätze anzubieten. Er eignet sich auch, als bedeutender Ort für überregionale Kulturangebote etabliert zu werden.
Nutzungsverteilung und Erschliessung Über dem ‚Oberbodensaal‘ liegen in jedem Geschoss zwei dreiseitig orientierte Wohnungen. Sie werden kleiner, je weiter oben sie im Dach liegen. Im Gegenzug werden dafür die jeweiligen Aussenräume umso grösser. Die horizontalen Schattenlinien im Giebel sind keine historischen Klebdächer mehr, wir arbeiten nicht mit einem Strick, sondern es sind nur Lauben mit feinem Geländer. An den Ecken gibt es weitere Aussenräume, die in die Flächenberechnung nicht einfliessen.
Ähnlich wie beim Saal, liegt auch bei den Wohnungen das Kaminfeuer im Zentrum. Um ein kleines Cheminée gruppieren sich die Wohnräume. Die Schlafräume, falls weniger warm geheizt, liegen an den Fassaden. Derzeit ist das noch ein konzeptioneller, diskutabler Ansatz, um die Wohnungen aus der Mitte heraus zu entwickeln, doch wir glauben an diesem besonderen Ort andere Wohnungen als bspw. in Unterägeri oder im Siedlungsgebiet anbieten zu müssen. Erschlossen werden die Wohnungen im Übrigen durch den Hof am Clubhaus. Dort liegen auch die Garagenplätze und Reduits. Über das natürlich belichtete Treppenhaus gelangt man nach oben, ohne die Wege der Restaurantgäste je kreuzen zu müssen.
Im Untergeschoss befinden sich die Technik- und Lagerräume, sowie die Entsorgung und das Office. Das Restaurant im Erdgeschoss wurde so organisiert, dass bei wenigen Gästen der Betrieb durch eine einzige Person gewährleistet werden kann. Von der Theke aus können Küche, Kioskfenster und die Terrassen überblickt werden. Einen Take Away schlagen wir über das Küchenfenster vor - wiederum aus Rentabilitätsgründen. Natürlich kann das Angebot durch eine Rollbar oder mobile Aussenschankstelle ergänzt werden. So wären mit den zukünftigen Betreiber:innen wären auch Selbstbedienungskonzepte realisierbar. Wichtig erscheint uns, bereits in den Übergangsmonaten genug Aussensitzplätze (Decke, Schaffelle, Strahler) anzubieten. Unsere Erfahrung über die Jahre zeigt, dass die Anziehung vor allem mit solchen Sitzplätzen steigt, sogar wenn die Plätze nur kurz oder gar nicht gebraucht werden. Das Restaurant wirkt damit lebendiger und einladender.
Nachhaltigkeit und Komfort Die Substanz des Bestandes finden wir nicht gleich ‚wertvoll‘ wie jene eines Gebäudes, welches schon mehrere 100 Jahre steht und sich durch eine hochwertige Bauweise sowie langlebige Materialen auszeichnet. Daher glauben wir ebenso einen Ersatzbau rechtfertigen zu können. Einige Bauteile des Rückbaus werden sich zudem gut in der Umgebungsgestaltung integrieren lassen. Vor allem wollen wir Holz und Stein aus der Region, wenn möglich aus dem Ägerital und der näheren Umgebung verwenden. Damit halten wir die Transportwege kurz und die Wertschöpfung lokal. Mit der vorgeschlagenen einfachen Bauweise können lokale Unternehmen berücksichtigt werden. Im Ägerital gibt es Sägereien und Holzbaubetriebe, die ein derartiges Objekt durchaus stemmen können. Wir entscheiden uns in dieser Phase bewusst für eine ‚herkömmliche‘ Holzrahmenbauweise und gegen Vollholzsysteme wie Holz100. Der Entscheid liegt bei der Korporation.
Sie kennt noch heute das traditionelle Reisten. Alle 4-5 Jahre werden 800 m3 Holz geerntet - 250 m3 aus Laub- und 550m3 aus Nadelbäumen. Geflösst werden nur die Nadelholzstämme. Die lokale Tradition wird bewusst aufrecht erhalten, auch wenn man es heute anders machen könnte. Umso mehr wollen wir das lokale Nadelholz (Fichte/Tanne) als Konstruktionsholz und als Bretterware (Schalungen) nutzen. Es soll grundsätzlich eher Schnitt- statt Leimholz verbaut werden. Hochverarbeitete Plattenware sind nur dort eingesetzt, wo es statisch oder brandschutztechnisch notwendig ist. Für die Böden schlagen wir Laubholzriemen vor (Buche, Ahorn, Esche, ev auch Lärche oder Douglasie), für die Möbel als Akzente vielleicht sogar Zuger Kirschbaum. Genaueres wird sich in der weiteren Bearbeitung und im Dialog mit der Bauherrschaft weisen.
Den Kies und Sand für Beton und Verputz oder auch für gegossene und geschliffene Böden könnten aus den Kieswerken in Menzingen oder Neuheim kommen. Auch hier bleiben die Transportwege kurz. Mit diesen Voraussetzungen liesse sich durchaus ein Vorzeigeprojekt mit Strahlkraft über das Ägerital hinaus realisieren.
Die Bodenheizung versorgt die Flächen mit Wärme. Das Clubhaus wird vollfächig mit Photovoltaikelementen eingedeckt. In den Übergangszeiten reicht bereits die Strahlungswärme des Kaminfeuers, um das Rauminnere angenehm zu wärmen. Im Saal werden die klimatischen Übergänge räumlich geschichtet, von warm, zu temperiert, zu kalt. Die Strahlungswärme und das Licht kommen aus dem Inneren. Die Grenzen von innen und aussen werden damit etwas unschärfer, unklarer. So wie das oberste Niveau unter dem Giebel nicht nur Platz für die Lüftungsanlage der Gastronomie, sondern auch für ungewöhnliche Bewohner bieten. Es könnten hier Mauersegler, Fledermäuse und Insekten nisten. Noch ist es ein Ansatz, die Baute nicht bloss für Menschen, sondern auch für Tiere zu denken, vielleicht aber würde damit noch mehr dem Ort und dem Bild eines Ausflugslokals vor einem Naturschutzgebiet gerecht.
Konstruktion und Struktur (Bericht Holzbauingenieur) Die statische Struktur, die innen und aussen als sichtbare Holzkonstruktion in Erscheinung tritt, geht auf den starken Entwurf des Architekten ein. Augenfällig wird das sofort bei den sichtbaren Balkenstrukturen der Saaldecke sowie, von aussen betrachtet, durch die klar strukturierten Aussenwände. Auch nimmt die Konstruktion das Thema der steilen und schützenden Dächer auf, die mit grossen Dachvorsprüngen den konstruktiven Holzschutz ideal und unterhaltsfrei lösen.
Ebenso trägt zu diesem Thema wesentlich das massive Sockelgeschoss bei. Im Raum wird die zur Verfügung stehende statische Höhe der Mittelwand zwischen den beiden Wohnungen im 2. Obergeschoss ausgenutzt und daraus ein tragender Überzug geschaffen. So wird der Saal stützenfrei. Der massive Erschliessungskern löst neben der sicheren Entfluchtung auch einen Grossteil der Gebäudestabilisierung.
Die Primärstruktur wird durch Unterzüge sichtbar. Diese orientieren sich am Raster des Grundrisses und schaffen moderate Spannweiten für die sekundäre Deckenkonstruktion. Dazwischen kommt eine Balken-Rippendecke (REI 60) mit Schüttung zum Einsatz, um dem Brandschutz und dem Schallschutz Rechnung zu tragen. Die Aussenwände sind als einfache, vorgefertigte, wärmegedämmte Rahmenbauwände konzipiert. Die sichtbaren Holzoberflächen tragen zu einer wohnlichen Atmosphäre bei. Eine gute Raumakustik und Behaglichkeit ist gewährleistet.
--
Studienauftrag im Einladungsverfahren, Ersatzneubau Restaurant mit Wohnungen. Projektleitung: Benedikt Profanter mit Makiol + Widerkehr Holzbauingenieure und Widmer Partner AG Bauleitung